Sie stecken ihn wochenlang in einen sogenannten Time-Out-Raum, mit Wänden aus Gummi.

Im Bremer Regionalfernsehen “buten un binnen” erscheint im Juni 2022 ein Bericht über einen sog. “Systemsprenger” (Tom) im Bremer Jugendhilfe- und Psychiatriesystem. Der Bericht beschreibt Toms langes Martyrium von Kind an, das dem Jugendamt wohlbekannt war. Toms Weg endet schließlich nach Jahren in der 2020 feierlich von der Bremer Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (PdL) neu eröffneten geschlossenen Abteilung (“Geschützte Station”) der Bremer Kinder- und Jugendpsychiatrie mit folgender “Behandlung”:

“In der Klinik wird das dramatische Schicksal und die Schwere der Störungen bei Tom offensichtlich. Selbst die Ärztinnen und Ärzte und Pflegerinnen und Pfleger in der geschlossenen Abteilung sind überfordert mit ihm. Sie stecken ihn wochenlang in einen sogenannten Time-Out-Raum, mit Wänden aus Gummi. Das soll ihn vor sich selbst, aber auch die Mitarbeiter schützen. Sie trauen sich kaum in seine Nähe.” (Hervh. d.V.)

Professor Menno Bauman von der Fliedner Hoschschule Düsseldorf kommt in dem Bericht als Experte zu Wort: “Wir haben keine schnellen Eingreiftruppen, wir haben keine intensiv pädagogischen – oder in diesem Fall intensivst pädagogischen – Notfallaufnahmeplätze. Sondern jetzt muss man lange, lange gucken, wann hat irgendwo in Deutschland jemand Kapazitäten frei, um sich so einem Problem zu stellen.” Baumann schätzt, dass es bundesweit zwischen 100 und 120 solcher extremen Fälle gibt.

Die zuständige Sozialsenatorin Stahman wird in “buten un binnen” wie folgt erwähnt: “Inzwischen sind die Eltern wohl bereit, das Sorgerecht abzugeben. Das ist auch ein Teil des Problems: Der Elternwille wird in Deutschland sehr hoch gehalten. Das Sorgerecht kann nur gerichtlich entzogen werden. Das Sozialressort von Anja Stahmann (Grüne) will jetzt prüfen, ob der zuständige Case Manager in Toms Fall zu spät reagiert hat. Und damit auch seine Entwicklung und sein Kindeswohl gefährdet hat. Der Sprecher der Senatorin, Bernd Schneider sagt: “Der Fall wird im Detail aufgearbeitet und bewertet.”

Der Bremer Senat (Bündnis 90/Die Grünen-SPD-DIE LINKE) hat am 26.April 2022 eine “Bewertung und kritische Aufarbeitung der Maßnahmen in geschlossenen Jugendhilfeeinrichtungen” vorgelegt. Bei den Fragen 11 und 12 und 13 ist die Antwort interessant und aktuell:
Wie viele Anträge auf mit Freiheitsentziehung verbundener Unterbringung nach § 1631b BGB (§151 Nr. 6 FamFG) und § 151 Nr. 7 FamFG wurden seit dem Jahr 2016 beim Familiengericht gestellt (bitte aufschlüsseln nach Jahren)?

Zwischen 2016-2021 schwankten die “Fallzahlen” zwischen 98 und 122 jährlich nach § 151 Nr. 6 FamFG. Zwischen 2016-2021 liegen die durchschnittlichen jährlichen “Fallzahlen” bei 17 nach §151 Nr. 7 FamFG. In vielen Fällen hätte es sich um Unterbringungen in der Jugendpsychiatrie gehandelt. (Diese werden dann nicht aufgeschlüsselt und benannt. d.V.)

“Vielfach handelt es sich um Anträge auf geschützte Unterbringung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Hintergrund der freiheitsentziehenden Unterbringung sind dann häufig klinische Krankheitsbilder.”
“Durch das Gesetz zur Einführung eines familiengerichtlichen Genehmigungsvorbehalts für freiheitsentziehende Maßnahmen bei Kindern wurde am 01. Oktober 2017 neben dem bereits bestehenden Genehmigungsvorbehalt in § 1631b BGB für die freiheitsentziehende Unterbringung eines Kindes nun ein solcher in einem neuen § 1631b II BGB auch für andere freiheitsentziehende Maßnahmen, wie etwa Fixierungen, medikamentöse Sedierung etc. eingeführt. Seit 2019 zeigt sich ein Anstieg der Beschlusszahlen, der sich mit dieser Gesetzesnovelle begründen lässt.”

In einer “Mitteilung des Senats” über „Kinderrechte im Land Bremen“ vom 6. Sept. 2022 wird mit keinem Wort auf die Rechte der Kinder und Jugendlichen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie eingegangen ? Enden in Bremen die Kinderrechte vor den Toren der KJP?

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