„Dressur zur Mündigkeit?“ – Tribunal über die Verletzung von Kinderrechten in der Heimerziehung in der Bundesrepublik Deutschland – 30. Oktober 2018 – 14-21 Uhr im Wichernsaal des Rauhen Hauses

Biographischer Rückblick eines Ehemaligen: https://www.geschlossene-unterbringung.de/2020/07/dressur-zur-muendigkeit-von-renzo-rafael-martinez/

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Es ist keineswegs so, dass mit dem Abschluss der beiden Runden Tische zur  Heimerziehung in West und Ost alles zum Besten stünde – im Gegenteil: trotz unbestreitbarer Verbesserungen gibt es eine zunehmende Tendenz der Verletzung von Kinderrechten.

Besonders deutlich wird diese Verletzung durch eine bislang im wissenschaftlichen und fachpolitischen Diskurs kaum beachtete, in der Praxis aber mittlerweile vorherrschende Technologie: die des „Stufen-Vollzuges“ oder des „Phasen-Modells“. Dieses Konzept – inspiriert von den Bootcamps in den USA und behavioristischen Dressurexperimenten – fußt auf entwürdigenden und stigmatisierenden Degradierungs-Zeremonien, auch wenn findige Professionelle für deren Bezeichnung ständig neue Vokabeln erfinden.

Derartige Stufenprogramme widersprechen grundlegenden Menschenrechten und sind nicht mit der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen zu vereinbaren (BMFSJ 2007). Sie verstoßen gegen den gesamten Tenor der Konvention, vor allem aber gegen Art. 2: Achtung der Kinderrechte; Diskriminierungsverbot, gegen Art. 9: Trennung von den Eltern; persönlicher Umgang, sowie gegen Art. 12, in dem ausdrücklich festgehalten wird, dass die Willensäußerungen des Kindes „angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife“ zu berücksichtigen sind.

Da diese Konvention in Deutschland unmittelbare Gültigkeit hat, müssen Einrichtungen, die mit derartigen Degradierungszeremonien arbeiten, abgeschafft oder zumindest gezwungen werden, ihre Arbeitsweisen fundamental zu verändern. Diese Forderung ist allerdings durchaus umstritten. Die Befürworter von pädagogisch legitimiertem Zwang und therapeutisch begründeter Einschließung sehen darin vielmehr notwendige Interventionen, um gefährdete Kinder und Jugendliche vor ihrem eigenen, risikoreichen Verhalten zu schützen.

Diese Kontroverse soll in Form eines Tribunals zugespitzt werden. Im Mittelpunkt des Tribunals steht eine Jury, die mit in der Sache kompetenten Personen besetzt ist. Sie befragt Zeuginnen und Zeugen und hört Sachverständige an.

Das Tribunal findet statt am 30. Oktober 2018 von 14:00 bis 21:00 Uhr im Wichernsaal des Rauhen Hauses, Horner Weg 180, 22111 Hamburg (nahe der gleichnamigen U-Bahn-Station)

Folgende Erstunterzeichnende unterstützen das Tribunal und treten dafür ein, dass die Ergebnisse dem Ausschuss für die Rechte des Kindes nach Art. 43 der UN-Kinderrechtskonvention vorgelegt werden (in der Reihenfolge des Eingangs bis 4.9.2018):

Prof. Dr. Fritz Sack, Sieglinde Frieß, Prof. Dr. Helga Cremer-Schäfer, Dr. Charlotte Köttgen, Prof. Dr. Manfred Kappeler, Dr. Michael Kirchner, Hans-Josef Lembeck, Prof. Dr. Joachim Schroeder, Prof. Dr. Joachim Weber, Günter Pabst, Prof. Dr. Christof Beckmann, Prof. Dr. Wolfgang Fritz Haug, Ronald Prieß, Dr. Wolfgang Hammer, Prof. Dr. Dietlinde Gipser, Dr. Heiner Zilmer, Prof. Dr. Reinhart Wolff, Prof. Dr. Heinz Sünker, Prof. Dr. Michael May, Wolfgang Rosenkötter, Florian Muhl, Lea Degener, Jorrit Schwagereck, Christian Gatermann, Prof. Dr. Tilman Lutz, Prof. Dr. Michael Lindenberg, Prof. Dr. Johannes Richter, Prof. Dr. Timm Kunstreich, Prof. Dr. Peter Schruth, Dr. Hans-Ullrich Krause, Prof. Dr. Christof Radewagen, Prof. Dr. Regina Rätz, Dieter Reuter-Spanier, Sonja Töpfer, Birte Langhoff, Dr. Sandra Küchler, Sinah Mielich, Jaqueline Gebhardt, Peter Wensierski.

Prof. Dr. Lothar Krappmann, von 2003 bis 2011 Mitglied im 13-köpfigen UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes, schrieb: „Danke für die Einladung. Ich bin dabei. Menschenrechte von Kindern und Jugendlichen werden in dieser Dressur verletzt; das sollte im Tribunal der zentrale Bezugspunkt sein.“

Wer das Tribunal „Dressur zur Mündigkeit?“ und die Forderung, dass die Ergebnisse dem UN- Ausschuss für die Rechte des Kindes mitgeteilt werden und dass die Bundesregierung aufgefordert wird, dazu Stellung zu nehmen, unterstützen möchte, möge dies über die im folgenden Dokument genannten Kontaktdaten mitteilen: UNTERSCHRIFTENLISTE

Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit Hamburg / Aktionsbündnis gegen geschlossene Unterbringung Hamburg

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